Die Welt scheint immer mehr aus den Fugen zu geraten, und wankt bedrohlich von einem Extrem ins andere. Die viel verordnete Balance und Eigenverantwortung scheinen immer mehr abhandenzukommen.
Wir geben uns gerne selbst als Betroffene aus und schieben die Verantwortung auf die Gesellschaft. Da wir aber Teil dieser Gesellschaft sind, kommt der Bumerang zurück auf die Verursacher, also uns selbst. Die Bandbreite von „Mir-ist-alles-egal, ich kann ja eh nichts bewegen“ zur Mitte „Leben-und-Leben lassen“ – bis zum kleinen Minidiktator ist alles vertreten im menschlichen Verhalten. Aber es sammeln sich immer mehr Menschen an den Rändern und setzen ihre schwarz-weiße Brille auf.
Als Beispiel:
In der Ernährung finden seit Jahren sogenannte Glaubenskriege statt, die immer mehr „Jünger“ anziehen, um den jeweiligen Feind den Garaus zu machen. Essen scheint zu einer Art Religion zu werden, in der die eigenen Erwartungen und Sehnsüchte nach Anerkennung, da sie anscheinend nicht anderweitig gestillt werden, mit einfließen. Als Veganer ist man ein guter Mensch, man möchte nicht verantwortlich für das Töten von Tieren sein. Als Vegetarier ist man momentan schon out, zu inkonsequent. Und sollte man tatsächlich noch Fleischesser sein, ist einem die Hölle schon garantiert.
Zucker würde uns nur vergiften, ist neuerdings verboten. Auch die böse Milch macht uns nur krank, die Kühe sind momentan das „Bauernopfer“ für den Klimawandel. Das giftige Brot ist verantwortlich für viele chronische Beschwerden, natürlich gibt es überall dazu Studien und viele Betroffene, die alleine durch das Weglassen eines Grundnahrungsmittels, lange durchaus geschätzt auf dieser Erde, ein neues Leben genießen. Liest man die Berichte hat man den Eindruck oh mein Gott hätte ich nur die letzten 20 Jahre kein Brot gegessen, ich hätte mein Abitur sicher mit 1,0 geschafft, hätte einen tollen Mann, Karriere gemacht und würde jetzt 15 Jahre jünger aussehen.
Bleiben wir beim Brot, hier gibt es natürlich Unverträglichkeiten für den Menschen, die sind hier auch nicht das Thema. Aber haben wir uns wirklich schon einmal gefragt, ob ein gewisser Anteil nicht der Herstellungsweise (Back-Shops), Fertigmischungen und den hochgezüchteten Weizen zu verdanken ist. Auch die Dosis macht das Gift, würden wir uns einfach ausgewogen ernähren, sollte es doch kein Problem geben. Oft treiben Menschen mit Ihrer Ernährung (und Ihrer Lebensweise) über Jahre Raubbau, bis sie irgendwann mal zusammenbrechen, nach dem Motto „Du bist, was Du isst“. Dann beginnt der Weg vom Saulus zum Paulus. Dann kommt die Suche nach dem Verantwortlichen, z. B. der böse Zucker, Milch, Weizen, Fleisch etc. Man selbst kommt natürlich nicht infrage, nein irgendwer wollte uns schaden. Ist der Feind erstmal ausgemacht, ist der Weg zum Apostel frei, um mit der eigenen Leidensgeschichte dann alle anderen zu bekehren und sie vor dem Feind zu warnen.
Dieses Beispiel lässt sich auf alle Lebensbereiche übertragen, ob Politik, Beziehungen oder die Arbeitswelt. Die Unzufriedenheit mit der Politik und die Erwartungen sind immens hoch. Da kommt Verwunderung auf, dass bei über 80 Millionen Einwohnern in Deutschland nur ca. 1,4 Millionen in einer Partei Mitglied sind. Der Rest hat die Verantwortung für Ihren Beitrag zur Gemeinschaft abgegeben und gibt sich der Illusion hin, alle vier Jahre ein Kreuzchen zu setzen würde völlig ausreichen. Auch in Beziehungen ist dieser Trend erkennbar, egal ob der Partner, die Eltern, die Kinder: Mach mich glücklich, egal wie, ich selber habe mit der Sache nichts zu tun und das passende Gegenstück: Ich übernehme die Verantwortung und die Kontrolle für dich: Sei meine Marionette.